Wie belte ich?

Der Broadway in New York bei Tag

Wie belte ich?

Belten – ein heißes Thema, bis hin zum Mystherium. Was ist das und wie geht das?

Als erstes möchte ich immer wieder betonen:

Belt ist keine Bruststimme

Cornelius Berger

Was ist Belten?

Belten oder Belting ist eine sehr fortgeschrittene Gesangstechnik, die insbesondere im Musical, echten Gospel, Flamencogesang und Pop- und Rockgesang verwendet wird. Mit dem Ausdruck “echter Gospel” möchte ich eine Abgrenzung zum deutschen Gospelchor aufzeigen, da diese Chöre Belting nicht beherrschen.

Klanglich ist Belten klar zum Brustregister abzugrenzen, was aber durchaus ein trainiertes Ohr bedarf.

Zusammenfassend klingt Belten wie gerufen, fokussiert, kräftig, offen, laut und hat Schnittstellen zum Brustregister. Aber auch nur Schnittstellen.

Voraussetzungen fürs Belten

Die Voraussetzungen fürs Belten sind vielfältig:

  • Stimmgesundheit

    Eine organisch oder funktionell geschädigte Stimme kann nur eingeschränkt oder gar nicht belten. Um Belten zu lehren ist eine kranke Stimme eine sehr schlechte Voraussetzung. Ein Lehrer, der hier versucht, Belten beizubringen handelt völlig unverantwortlich und begeht Körperverletzung.

  • Starkes Falsett

    Der Klang, der am wenigsten nach Belt klingt, ist für mich der wichtigste Faktor: Das Falsett ist so etwas wie der Sicherungsmechanismus der Stimme. Das Falsett gibt der Stimme Ausdauer und ist das Schutzschild, welches sie vor Schäden schützt.

    Ohne Wasser kein Leben, ohne Falsett kein Belt.

  • Sehr gut koordinierte Stimme

    Der Übergang von Brustregister in die Kopfstimme erfolgt nahtlos, ohne Bruch und einfach. Es ist sehr wichtig, dass dieser Übergang automatisiert erfolgt.

  • Sehr starkes Kopfregister

    Diese Aussage ist ziemlich ähnlich zum Punkt davor – nämlich der sehr gut koordinierten Stimme. Da eine Stimme jedoch sehr gut koordiniert, aber an sich schwach (=leise) sein kann, ist ein starkes (und damit auch potenziell lautes) Kopfregister wichtig. Letztendlich bedeutet die Fähigkeit, laut im Kopfregister singen zu können, dass das Brustregister ebenfalls stark ist, aber eben nicht dominant, sondern untergeordnet.

  • Expressiver Charakter

    Die Beschreibung vom Klang des Beltens legt es schon nahe: Mit einem Mauerblümchencharakter kommt man nicht weiter. Der Sänger muss belten wollen und dafür auch bereit sein, im übertragenden Sinne, die Hüllen fallen zu lassen.

  • Körperliche Fitness

    Man muss kein Hochleistungssportler mit olympischer Goldmedaille sein, um Belten zu können, aber zumindest bei normaler Kraft, Wachheit und Gesundheit sein. Die Stimme ruft dann die nötigen körperlichen Reaktionen ab, wenn sie benötigt werden. Nicht umgekehrt. Es muss nicht gestützt werden. Stütze ist das, was ensteht, wenn man richtig singt und nicht die Ursache.

  • Eine Prise Twang

    Die meisten Schüler haben von Natur aus ausreichend Twang in der Stimme. Während einige Gesangstechniken Twang als ein Allerheilmittel für Belt sehen, so sehe ich in Twang sicherlich einen großen Nutzen zur Stimmentwicklung als auch zur Stimmfärbung für Charakterstimmen – jedoch nicht als oberste Beltvoraussetzung. Je fortgeschrittener der Sänger singen kann, desto weniger Twang ist erforderlich.

Belt lehren bzw. lernen

Ein großer Wunsch vieler Menschen ist es, Dinge zu verstehen oder einfach herstellen zu können: Drehe eine Schraube im Uhrzeigersinn, und sie geht in die Wand. Stelle Wasser in die Gefriertruhe und es wird Eis.

So einfache Rezepte fürs Belten gibt es auch: Belters-bite + Blick zu den Sternen (gemeint ist, Kopf etwas nach hinten) + Twang + Stütze (Level 16 von 16) = Belt.

Zurück zur Schraube und zum Wasser: Was ist denn, wenn ich eine Schraube mit Linksgewinde habe? Was ist, wenn ich meine Gefriertruhe ins Vakuum stelle? Auf einmal fängt das Wasser zu kochen an, wird dann aber dafür umso schneller zu Eis!

Der anscheinend so einfache Prozess ist gründlich schief gegangen.

Genau so ist es mit den Belt-Rezepten

Belten nach Rezept (“Twang + Stütze + xyz = Belt”) funktioniert nicht.

Dennoch ist es möglich, Belten zu lehren:

Als funktionaler Gesangslehrer und als Feldenkraislehrer habe ich stets den gesamten Menschen und den Gesamtklang in Blick und Gehör. Nach und nach stelle ich die Voraussetzungen fürs Belten her, ohne dabei die feine muskuläre Balance aus dem Gefüge zu bringen. Hierbei habe ich natürlich mein Ziel im Hinterkopf, die Kunst ist es jedoch, sich nicht verleiten zu lassen, dieses Ziel auf dem direkten Wege zu erreichen. Im funktionalen Gesangsunterricht und auch in der Alexandertechnik oder Feldenkrais ist häufig der längere Weg der kürzere.

Wie lange brauche ich, um Belten zu lernen?

Eine sehr konkrete Frage mit einer leider sehr inkonkreten Antwort: Kommt drauf an.

Die Schüler kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in den Geangsunterricht. Erfüllt ein Schüler viele dieser Grundvoraussetzungen von Anfang an, so geht es natürlich erheblich schneller

Um dennoch eine konkrete Zahl zu nennen: Eine Schülerin kam im Alter von 19 Jahren zu mir zum Gesangsunterricht. Sie war höflich, zurückhaltend bis schüchtern. Ihre Stimme war völlig unausgebildet, es lag eine typische gemischte Registrierung vor. Was von Anfang an jedoch zu hören war, war eine sehr hohe Musikalität, eine sehr schöne und organisch gesunde Stimme. Jahrelanges Geigenspiel halfen ebenfalls beim Stimmempfinden.

Im Laufe der ersten drei Jahre räumte ich die Register auf und machte viel Feldenkrais mit ihr, welches zusätzliche Organisation (in Körper und Psyche) gab.

Ausschlagend fürs Belten waren jedoch zwei andere Punkte: Ich empfahl meiner Schülerin beim von mir veranstalteten Kurs Schauspiel und Liedinterpretation mit Musicaldarsteller Carsten Lepper teilzunehmen. Auf diesem Kurs begann das erste 10-Cent-Stück (früher hieß es Groschen) zu fallen. Die Schülerin wurde in ihrer Persönlichkeit erheblich sicherer, welches sich auch zusätzlich in der Körperlichkeit spiegelte.

Psychisch so gestärkt wuchs im zweiten Schritt in der Schülerin immer mehr auch die Erkenntnis, dass sie doch eine ernstzunehmende Musikerin ist, und es enstand der Wunsch, Gesang zu studieren.

Jetzt, im vierten Jahr singt meine Schülerin auf professionellem Niveau und wir sind erst jetzt dabei, ihre Belttöne zu stabilisieren. Bis die Töne auf Abruf und Aufregung funktionieren, gehe ich davon aus, dass wir noch einige Monate brauchen werden.

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